Maschinen mit IQ: Die Smart Factory mit ihren Vor- und Nachteilen
technik
technik
Die Smart Factory gilt als unentbehrlich, wenn ein produzierendes oder logistisch tätiges Unternehmen auch künftig wettbewerbsfähig bleiben will. Sie ermöglicht die Fertigung kundenindividueller Produkte und flexible Automatisierungslösungen. Mit der intelligenten Fabrik ändert sich aber auch die Mensch-Maschine-Interaktion und neben einer Vielzahl an Vorteilen birgt der hohe Grad an Digitalisierung auch Risiken.
Direkt übersetzt bedeutet Smart Factory „intelligente Fabrik“. In dieser läuft die Produktion autonom, vernetzt und digitalisiert ab – mittels sogenannter Cyber-Physischer Systeme (CPS): Sie bestehen aus Komponenten wie Maschinen, Robotern oder Anlagen sowie Software und Informationstechnik. Ausgestattet mit Sensor-, Prozessor- und Funktechnik kommunizieren diese Systeme auf Basis des Internet of Things (IOT) miteinander. Die cyber-physischen Systeme speichern digitale Informationen und teilen diese untereinander. Diese intelligente Produktionsumgebung, bestehend aus Fertigungsanlagen und fahrerlosen Transportsystemen, Industrierobotern und Werkzeugen, organisiert sich selbst: Sie steuert ihre Fertigungsschritte so, dass ein Produkt diese durchläuft, ohne dass der Mensch in die Produktion eingreifen muss. Diesen Vorgang nennt man Smart Manufacturing. Der Begriff Smart Factory ist eng mit dem der Industrie 4.0 verknüpft. Diese vierte industrielle Revolution basiert auf dem zentralen Einsatz des Internets: Informations- und Kommunikationstechnologien vernetzen Maschinen, Anlagen und Abläufe miteinander – Fertigungsprozesse verschmelzen mit der IT.
Menschen werden in einer Smart Factory nicht überflüssig. Im Gegenteil: Mensch und Maschine ergänzen sich. Die Menschen nehmen dabei statt einer aktiv am Produktionsprozess beteiligten nun eine überwachende, optimierende und kontrollierende Position ein. Das gilt für Elektroniker etwa für Gebäude und Infrastruktursysteme oder für Betriebstechnik ebenso wie für Mechatroniker, Maschinenbau-Ingenieure oder IT-Experten. Darüber hinaus bleibt der Mensch natürlich weiterhin als (Weiter-)Entwickler von Produkten relevant für das Design der Smart Factory selbst sowie für die Lösung technischer Probleme im Zuge der smarten Produktion. Zudem schlüpft der Mensch in die Rolle einer Schnittstelle: Denn auch eine intelligente Fabrik benötigt bei der Kommunikation mit externen Systemen, etwa anderen smarten Produktionen, eine gewisse Unterstützung. Um diese Anforderungen erfüllen zu können, sind für die Experten einer Smart Factory, beispielsweise Fachinformatiker für digitale Vernetzung, umfassende Kenntnisse der Anwendungen rund um die Industrie 4.0 grundlegend. Dazu gehören etwa die erwähnten Cyber-Physischen Systeme (CPS), Radio-Frequency Identification (RFID), Near Field Communiation (NFC) oder Augmented Reality (AR). Insbesondere die AR, bei der die Realitätswahrnehmung digital durch die visuelle Ergänzung von Bildern oder Videos erweitert wird, unterstützt die Mitarbeiter einer Smart Factory: Soll etwa eine Maschine gewartet, repariert oder neu eingestellt werden, muss der für die Maschine zuständige Experte nicht zwingend vor Ort sein: Mithilfe der Augmented Reality kann er von überall aus Kollegen bei der Umsetzung dieser Aufgabe unterstützen oder anleiten.
Smart Factories bieten diverse Vorteile im Vergleich zu klassischen Produktionsverfahren. Sie sind effizienter, anpassungsfähiger und optimieren so die Wertschöpfungskette.Beispielsweise können die Produktionsabläufe so gestaltet werden, dass auch kurzfristig kleine Serien von Produkten gefertigt werden können – und zwar so kostengünstig, wie es mit konventionellen Anlagen nur ab einer hohen Stückzahl möglich wäre. Diese Flexibilität bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit ermöglicht die schnelle Umsetzung von Innovationen und das zügige Reagieren auf die Anforderungen, Wünsche und Bedürfnisse des Marktes. Um die Chancen, die Smart Factories bieten, voll ausschöpfen zu können, müssen möglichst alle Bereiche des Unternehmens digitalisiert sein – und hier liegt auch das Risiko: Denn ein hohes Maß an Digitalisierung bietet Hackern eine breite Angriffsfläche. Cyber-Attacken können ganze Betriebe sabotieren, ausspionieren oder gar komplett lahmlegen. Es können Daten gestohlen oder Maschinen manipuliert werden. Entsprechend müssen Unternehmen hier vorsorgen und sowohl in eine sichere technische Infrastruktur als auch in entsprechende Fachkräfte für Cyber-Sicherheit investieren.
Der entscheidende Unterschied ist: Eine Smart Factory steuert die Produktionsschritte selbst. Grundlage hierfür sind zum einen die Fertigungsinformationen, die auch das Produkt selbst in maschinell lesbarer Form wie RFID-Chips in sich trägt, und zum anderen die vernetzte Kommunikation aller am Produktionsprozess beteiligten Komponenten und Logistikverfahren. Dass dabei Prozesse schlank und Produktionszeiten kurz bleiben, verdankt die Smart Factory ihren intelligenten Systemen: Sie definieren auf Grundlage der relevanten Informationen zum gewünschten Produkt – Abmessungen, Funktion oder Stückzahl – eigenständig die optimalen Schritte für deren Fertigung. In einer traditionellen Fabrik übernehmen diesen Part Menschen, die dort auch eher das „Gedächtnis“ der Produktion sind. In einer Smart Factory hingegen geht diese Aufgabe auf die Maschinen und Anlagen über: Sie sammeln Daten und Kontextinformationen, lernen mit der Zeit hinzu und können somit die Produktionsabläufe effizienter gestalten.
Viele bezeichnen die Smart Factory auch als „Fabrik der Zukunft“. Allerdings ist diese Art der Produktion zum Teil bereits Realität: Es gibt sich selbst organisierende Produktionsumgebungen, etwa in der Automobilindustrie. Gerade diese Branche, die ohnehin als Vorreiter für Smart-Factory-Lösungen gilt, plant in den kommenden Jahren Investitionen in intelligente Fabriken mit dem Ziel, die Produktivität und Qualität maßgeblich zu steigern. Die Individualisierung mit der Massenproduktion zu vereinen, ist hierbei das Reizvolle für die Autohersteller. So entscheidet eine smarte Kommissionierung selbst, welche Teile sie benötigt, autonome Transportsysteme liefern diese Komponenten an die entsprechenden Roboter, die dann in die Montage gehen. Parallel werden die Daten der Maschinen und Anlagen gesammelt, analysiert und genutzt, um potenzielle Optimierungen im Workflow zu identifizieren oder mögliche Störungen und Wartungsarbeiten vorherzusehen bzw. zu planen.
Text: Stine Behrens