Derzeit ist es noch mehr Theorie als Praxis, aber in den kommenden Jahren wird – und muss – das Green Human Ressource Management (GHRM) essenzieller Bestandteil der Arbeitswelt sein. Der Spezialist für Organisationsentwicklung, Dr. Raik Thiele, erläutert, warum Unternehmen vom nachhaltigen Personalmanagement nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in ökologischer und sozialer Hinsicht profitieren.

Herr Dr. Thiele, können Sie uns erläutern, was genau das Green Human Ressource Management umfasst und inwiefern es einen Unterschied zum bisherigen Human Ressource Management darstellt?

Das Green Human Resource Management ist eine Spezifizierung und beinhaltet all die Maßnahmen, die zur Förderung von ökologischen Einstellungen beitragen und die Verhaltensweisen der Mitarbeitenden eines Unternehmens positiv beeinflussen. Es fußt auf dem Drei-Säulen-Modell, der sogenannten Triple-Bottom-Line: Ökonomie, Ökologie und Soziales. Ein Unternehmen handelt demzufolge nachhaltig, wenn es zwar eigene wirtschaftliche Ziele verfolgt, aber gleichzeitig umweltbezogen und gemeinnützig handelt. Dies dient natürlich auch der Wettbewerbsfähigkeit

 

Warum ist es so wichtig, das GHRM in einem Unternehmen erfolgreich zu realisieren? 

Die Frage nach dem „Warum?“ müssen wir nicht lange diskutieren: um den Fortbestand unseres Planeten sicherzustellen und somit die Lebensbasis für uns und alle nachfolgenden Generationen. Wenn wir in irgendeiner Form die bereits gesetzten Klimaziele Deutschlands und Europas erreichen wollen, müssen wir handeln, und zwar jetzt! Neben diesem moralischen Aspekt kommt ab 2025 die EU-Verpflichtung für jedes Unternehmen hinzu, regelmäßige Nachweise hivnsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsziele zu erstellen. Sie werden daher gezwungen, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Das hat nicht nur Vorteile im Sinne des Klimaschutzes, sondern auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels. Bewerbende setzen sich heute verstärkt mit dem grünen Image von potenziellen Arbeitgebern auseinander.

Green HR Management, ESG, Nachhaltigkeit

Porträt Raik Thiele

Dr. Raik Thiele (36) hat an der Universität Wien Wirtschafts- und Organisationspsychologie studiert und anschließend an der Wirtschaftsuniversität Wien mit dem Schwerpunkt auf nachhaltiges Personalmanagement promoviert. Seit 2022 ist er bei dem Beratungsunternehmen für Organisationsentwicklung „Hikingdays“ als Experte für das Green Human Ressource Management tätig. ©Alex Gotter


Was wären die ersten Schritte, die ein Unternehmen bei der Umsetzung gehen sollte, und wie können die Mitarbeitenden eingebunden werden?

Zu Beginn steht die Analyse des Status Quo. Arbeitgebende überlegen: Wie haben wir uns bei den Themen Umwelt, Sicherheit und Gesundheit positioniert? Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit aus? Je nach Größe des jeweiligen Unternehmens empfehle ich die Gründung einer möglichst diversen Arbeitsgruppe, die sich intensiv mit dem Umweltschutz auseinandersetzt. Wo könnten  Veränderungspotenziale liegen und wo wollen wir als Unternehmen hin? Klare Zielvereinbarungen, wie beispielsweise die Einführung des papierlosen Büros oder Boni für ressourcenschonendes Verhalten, sind die nächsten Schritte. Dann ist es von großer Bedeutung, alle Mitarbeitenden mitzunehmen – von der Produktionsebene bis in die Führungsebene. Brunel ist in dieser Hinsicht bereits Vorreiter. Transparenz ist ein genauso wichtiges Stichwort! Indem Arbeitgebende beispielsweise die Energiekosten, den Ressourcenverbrauch oder die Müllerzeugung des Betriebes nachvollziehbar machen, erzeugen sie Glaubwürdigkeit sowie bei den Mitarbeitenden einen Anreiz, sich einzubringen und an dem Prozess beteiligt sein zu wollen.

Welche erfolgreichen Beispiele für umgesetztes GHRM gibt es bereits?

 

Wir müssen nur an kleinen Stellschrauben drehen, können aber dennoch eine große Wirkung erzeugen: Reduzierung von Flugreisen, die Umstellung des Fuhrparks auf E-Autos oder die Bereitstellung von Duschen, sodass eventuell mehr Mitarbeitende mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen. Ein Bahncard-Zuschuss, flexible Homeoffice-Möglichkeiten oder die Erlaubnis, während der Arbeitszeit an Klima-Demonstrationen teilnehmen zu dürfen, könnten ebenfalls die Motivation im Team erhöhen. Leider gibt es aber immer noch viel zu wenige Unternehmen, die sich intensiv mit dem Klimaschutz befassen und noch weniger, die bereits konkrete Maßnahmen realisiert haben.

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Erfolgreiches Wirtschaften und GHRM stehen demnach nicht im Widerspruch zueinander?

Nein, da im Sinne des bereits erwähnten Drei-Säulen-Modells die Nachhaltigkeit eines Unternehmens auch ökonomisch erfolgreich sein muss. Für einen ökologischen Transformationsprozess sind
zunächst finanzielle Mittel erforderlich, die sich langfristig aber rentieren. Ressourcenschonendes Wirtschaften und geringere Umweltkosten sparen Geld. Mitarbeitende, die für eine gute Sache arbeiten, sind motivierter, seltener krank und innovativer. All das kommt dem Unternehmen wirtschaftlich betrachtet zugute.

 

Stichwort Greenwashing: Was hat es damit auf sich?

Die Absicht eines Unternehmens, echtes GHRM zu betreiben, muss ernst gemeint sein. Wenn die kommunizierten Werte eines Unternehmens nicht im Einklang mit den umgesetzten Maßnahmen sind, schadet das nicht nur dem Klima, sondern auch dem Unternehmen. Wenn etwa ein Bekleidungskonzern mit Nachhaltigkeit wirbt, aber im Endeffekt die gesamte Modelinie im Ausland unter fragwürdigen ökologischen und sozialen Standards produziert wird, setzt er seinen Ruf aufs Spiel. Das Vertrauen, nicht nur von den Mitarbeitenden, sondern auch von den Kunden, geht bei oberflächlichem Greenwashing verloren.

 

Würden Sie den Wirtschaftsstandort Deutschland als Vorreiter beim nachhaltigen Personalmanagement betrachten?

Allgemein können wir sagen, dass Europa bereits gut aufgestellt ist. Aus meiner Sicht gibt es in Deutschland aber Nachholbedarf. Zwar ist hier die Bereitschaft für Veränderung zum großen Teil vorhanden, aber die Mühlen mahlen leider noch viel zu langsam, teilweise ist dies dem bürokratischen Aufwand geschuldet. Verstärkt Aufklärungsarbeit leisten, politische Anreize durch Vorteile schaffen, und auch den Unternehmen mehr Vorgaben setzen – das alles erzeugt Druck, aber im positiven Sinn. Wenn wir beispielsweise einmal den Blick nach Skandinavien wagen: Die Norweger:innen sind beim Thema Elektroautos Klassenbeste. Im vergangenen Jahr waren 79,3 Prozent der verkauften Neuwagen Elektrofahrzeuge. Subventionen, billigeres Parken, günstigere Maut- und Fährtickets sowie die Nutzung von Bus- und Taxispurensind nur einige der vorhandenen staatlichen Maßnahmen.

 

Zum Schluss ein Ausblick: Wie wird das Personalmanagement in zehn Jahren aussehen?

Es ist schwierig, eine Prognose abzugeben. Ein großer Punkt ist sicherlich die Künstliche Intelligenz, die verstärkt in das Personalmanagement einziehen wird. Die Arbeit generell wird in ihrer Flexibilität zunehmen – weg von starren Strukturen hin zu dynamischen Organisationsabläufen. Wir werden weiterhin mit vielen Herausforderungen konfrontiert sein, die sicherlich viele Risiken, aber eben auch viele Chancen beinhalten.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Text: Elisabeth Stockinger

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