Einleitung

Die Havarie eines Öltankers oder einer Bohrinsel hat oft verheerende Folgen für Umwelt, Fischerei und Tourismus. Die klassischen Methoden zur Beseitigung von Ölverschmutzungen sind nicht besonders effizient und zumeist ökologisch bedenklich. Eine Methode, die Forscher an der Uni Erlangen-Nürnberg entwickelt haben, könnte diese Problematik grundlegend ändern: der „Ölmagnet“. 

Am 20. April 2010 löste die Explosion der Ölbohrplattform Deepwater Horizon eine der bislang größten von Menschen verursachten maritimen Ölverschmutzungen aus . 84 km vor der Küste des US-Bundesstaats Louisiana gelangten bis zu 1 Mio. Tonnen Rohöl in den Golf von Mexiko. Mehr als 65 Mrd. US-Dollar zahlte das Mineralölunternehmen BP als Strafen an staatliche Stellen, Schadensersatzansprüche an geschädigte Firmen und Privatpersonen sowie für Reinigungsarbeiten. Viele Tausend Helfer waren im Einsatz, um den Ölteppich zu beseitigen, der auf eine Fläche von fast 200.000 km² anwuchs – etwa die Hälfte der Fläche Deutschlands. Eine der Maßnahmen war das kontrollierte Abbrennen des Öls, das jedoch wegen zu hohen Wellengangs wenig wirksam war. Zudem gelangen dabei in großer Menge umweltschädigende Verbrennungsprodukte in die Luft und ins Wasser. Eine andere Methode, das Abschöpfen des Öls mit Spezialschiffen, wurde wegen geringer Wirksamkeit nach wenigen Testfahrten aufgegeben.

Umstrittene Maßnahme: Dispergierung  

Als Mittel der Wahl blieb die chemische Dispergierung, die Zerteilung des Ölteppichs in kleine Tröpfchen mit Hilfe von so genannten Dispergatoren. Das fein verteilte Öl sinkt unter die Wasseroberfläche und wird dort – so jedenfalls die Theorie – von Mikroorganismen schneller zersetzt als der dichte Ölfilm an der Wasseroberfläche. Kritiker bemängeln allerdings, dass die Bestandteile der Dispergatoren – z.B. petroleumähnliche Lösungsmittel und Salze organischer Sulfonsäuren, wie sie auch in synthetischen Reinigungsmitteln genutzt werden – zum Teil toxischer sind als die Rohölkomponenten selbst, und dass die Dispergierung das Öl nur weniger gut sichtbar macht. Tatsächlich orteten Forschungsschiffe in tiefen Bereichen des Golf von Mexiko später riesige, Plankton abtötende Ölschwaden, die von Mikroorganismen kaum angegriffen worden waren.

Neues Verfahren ermöglicht Zusammentragen des Öls mit Magneten 

Fast 7 Mio. Liter Dispergatoren kamen während der Deepwater Horizon-Ölpest zum Einsatz. Experten schätzen, dass dennoch höchstens 20 % des ausgetretenen Rohöls beseitigt werden konnte. Der Rest sank auf den Meeresboden oder verteilte sich großvolumig in der Tiefsee. Neuere Verfahren zur Bekämpfung von Ölverschmutzungen wie Öl zersetzende Mikrobakterien und Öl aufnehmende Adsorptionsschwämme standen 2010 noch nicht zur Verfügung und befinden sich auch heute noch überwiegend im Stadium der Erprobung. Zudem sind auch sie wegen ihrer toxischen Nebenwirkungen auf das maritime Ökosystem umstritten. Ohne Umweltgefährdung ist dagegen aller Voraussicht nach ein Verfahren, das eine Arbeitsgruppe an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) unter Leitung des Werkstoffwissenschaftlers Prof. Marcus Halik seit 2015 erforscht: das Einsammeln von Öl mit Hilfe von Magneten. Halik ist überzeugt: „Mit unserem Verfahren extrahieren wir Stoffe wie Rohöl, Benzin und Diesel praktisch vollständig aus Wasser, ohne das irgendwelche Hilfsstoffe im Wasser verbleiben.“

Der Clou: magnetische Nanopartikel binden ölige Substanzen 

Natürlich ist Öl nicht magnetisch. Die FAU-Forscher wenden einen cleveren Trick an: Sie haben winzige magnetische Teilchen designt, an denen Öl so fest haftet, dass ein Elektromagnet mit den Teilchen auch das Öl aus dem Wasser fischt. Marco Sarcletti, der seine Masterarbeit zum Thema anfertigte, beschreibt das Verfahren genauer: „Wir benutzen Nanopartikel aus Magnetit, die von selbstorganisierenden Monoschichten aus Alkylphosphonsäuren umgeben sind. Die Säureenden binden an die Magnetitpartikel, während die Alkylketten von ihnen weg weisen. Diese Ketten sind stark oleophil, das heißt: sie binden hochwirksam ölige Substanzen.“ Die FAU-Forscher konnten zeigen, dass jedes funktionalisierte Nanopartikel bis zum 14-fachen Volumen an Ölmolekülen anlagert. In einem weiten Temperaturbereich zogen sie mit ihrem „Ölmagneten“ unterschiedliche ölige Substanzen rückstandslos und praktisch wasserfrei aus Salz- und Süßwasser.

Ölmagnet gegen Öl am Strand

Durch Computersimulationen und diverse Experimente optimierten die Forscher das Verfahren. Als magnetisches Material erwies sich das Mineral Magnetit, ein Eisenoxid der Zusammensetzung Fe3O4, als geeignet. Es ist nicht toxisch, relativ preiswert und lässt sich leicht zu Nanopartikeln verarbeiten. In dieser extrem feinen Verteilung ist es aus zwei Gründen besonders wirksam, erklärt Sarcletti: „Durch die Nanoskalierung vergrößern wir einerseits die aktive Oberfläche enorm. Zum anderen zeigen die Nanopartikel im Gegensatz zum massiven Magnetit ein besonderes magnetisches Verhalten, sie werden zu SPIONs (SuperParamagnetic Iron Oxide Nanoparticles ).“ 

Organische Säure verbindet Öl und Magnete 

Als Bindungsvermittler zwischen Magnetit und Öl nutzt das Halik-Team Molekülsorten, die ähnlich aufgebaut sind wie Dispergatoren: Alkylsäuren, die aus einer langen Kohlenwasserstoffkette und einem Säurerest bestehen. Im Gegensatz zur Dispergierung haften die Säuren jedoch so fest an den Nanopartikeln, dass ein Magnet den gesamten Magnetit-Alkylsäure-Öl-Komplex  aus dem Wasser extrahiert. „Die besten Ergebnisse erzielten wir mit Alkylphosphonsäuren,“ erklärt Prof. Halik, „weil der Phosphonsäurerest stark kovalent an Magnetit bindet, also eine echte chemische Bindung eingeht.“ Dagegen wirken zwischen den Alkylketten und den Ölmolekülen nur schwache, nichtkovalente Kräfte, so genannte van-der-Waals-Bindungen. Bereits durch Waschen in organischen Lösungsmitteln lassen sich die Ölmoleküle wieder abtrennen und die mit Phosphonsäure belegten Nanopartikel erneut verwenden.

Weitere Einsatzmöglichkeiten denkbar 

Prof. Halik blickt in die Zukunft: „Zusammen mit industriellen Partnern wollen wir das Verfahren jetzt im Rahmen eines Start-ups in den technischen Maßstab übertragen“. Dazu müssen z.B. kostengünstige Verfahren zur Abtrennung des Öls entwickelt werden, etwa durch Verdampfen oder Verbrennen des Öls, durch Zentrifugieren oder durch den Einsatz sehr starker Magnetfelder. Auch zur Entfernung anderer Umweltgifte aus Wasser könnte das Verfahren in modifizierter Form geeignet sein. So hat das FAU-Team bereits gezeigt, dass sich auf Glyphosat basierende Herbizide oder Nanokunststoffpartikel magnetisch aus Wasser extrahieren lassen. Vielleicht verlieren also nicht nur Ölkatastrophen durch die Nanomagnete ihren Schrecken. 

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Kurzvita

Marcus Halik 

Prof. Halik ist promovierter Chemiker. Nach seiner Tätigkeit in den USA/bei Infineon Technologies wurde er 2005 an die Universität Erlangen-Nürnberg berufen. Seitdem leitet er die Gruppe „Organic Materials & Devices“ - Lehrstuhl für Polymerwerkstoffe. Forschungsschwerpunkte sind Flexible Elektronik/Molekulare Selbstorganisation/organisch-anorganische Hybridstrukturen.

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Kurzvita

Marco Sarcletti 

Marco Sarcletti studierte Nanotechnologie an der FAU und an der Linköpings Universitet (Schweden). Im Anschluss an das Studium hat er 2017 seine Promotion in der Arbeitsgruppe „Organic Materials & Devices“ aufgenommen. In dieser beschäftigt er sich mit der Entfernung organischer Verunreinigungen aus Wasser mittels magnetischer Nanopartikel.

Arbeitsgruppe OMD

Prof. Dr. Halik leitet die Arbeitsgruppe OMD (Organic Materials & Devices) am Institut für Polymerwerkstoffe der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Forschungsschwerpunkt der Gruppe sind selbstorganisierende Monoschichten (SAM, Self-Assembled Monolayer), die organische Moleküle auf Oberflächen ausbilden. Mit solchen Schichten stellen die OMD-Forscher neuartige flexible elektronische Bauelemente her und entwickeln innovative Anwendungen z.B. in Umwelttechnik, Medizin und Optoelektronik. 

 

 

Text: Stine Behrens

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