Ghosting im Bewerbungsprozess
karriere
karriere
Wenn Bewerber:innen nichts mehr vom Unternehmen hören oder andersherum die Personalabteilung einen Job anbietet und vergeblich auf Rückmeldung wartet, ist das ärgerlich. Es gibt viele Gründe dafür, sich im beruflichen Kontext plötzlich aus den Augen zu verlieren – professionell ist keiner davon.
Es kann durchaus etwas Gespenstisches haben: Eine Person, die eben noch präsent war, zieht sich unangekündigt und ohne Erklärung aus dem Kontakt zurück – sie „ghostet“. Ursprünglich stammt der Begriff Ghosting aus dem Dating-Bereich und meint die ernüchternde Situation, wenn das Gegenüber nach anfänglich gezeigtem Interesse plötzlich abtaucht und nicht mehr zu erreichen ist. Doch auch in der Arbeitswelt kommt das Phänomen als „Business-Ghosting“ oder „Job-Ghosting“ immer wieder vor – und zwar in beide Richtungen: Sowohl Bewerbende als auch Arbeitgeber verschwinden nicht selten einfach kommentarlos von der Bildfläche und sorgen so für Frust auf der anderen Seite.
Wer es schon einmal erlebt hat, weiß, wovon die Rede ist: Die Bewerbungsunterlagen sind mit großer Sorgfalt zusammengestellt und auf den Weg gebracht, doch eine Rückmeldung aus der Personalabteilung bleibt aus. Nicht einmal eine Eingangsbestätigung ploppt während der nächsten Tage und Wochen im Postfach auf. Und nun? Sind die Unterlagen vielleicht unterwegs verloren gegangen oder im Spam-Ordner gelandet? Oder ist das Unternehmen an einem Kennenlernen überhaupt nicht interessiert? In einer solchen Situation ist es zunächst einmal wichtig, das Schweigen nicht auf sich zu beziehen und sich davon nicht verunsichern zu lassen.
Nach zwei oder drei Wochen ist es durchaus angemessen, sich freundlich in Erinnerung zu bringen und nach einer Rückmeldung zu fragen.
Für das Ghosting von Unternehmensseite gibt es viele Gründe. So kann es sein, dass eine Stelle schon längst intern besetzt ist, aber aus juristischen Gründen öffentlich ausgeschrieben werden musste. Oder die Personalabteilung hat aufgrund einer unerwarteten Vielzahl an Bewerbungen oder interner Krankheitsfälle nicht die Kapazitäten, um auf alle Anschreiben zu reagieren. Ein weiterer naheliegender Grund ist, dass sich das Unternehmen für eine andere Person entscheidet und dies aus Zeitgründen nicht mitteilt. Das alles kann vorkommen und ist in gewissem Maße nachvollziehbar – die Regel sollte es nicht sein.
Was auch immer der Grund im konkreten Fall sein mag und selbst, wenn in der Regel keine böse Absicht dahinterstecken dürfte: Ein kompletter Rückzug aus der Kommunikation ist unprofessionell. Wer auf eine Antwort wartet, sollte dennoch erst einmal Ruhe bewahren und dem Unternehmen etwas Zeit für eine Rückmeldung geben. Spätestens nach zwei oder drei Wochen ist es aber durchaus angemessen, sich freundlich in Erinnerung zu bringen und nachzufragen – entweder per Mail oder telefonisch. Das könnte zum Beispiel so aussehen:
Guten Tag Herr / Frau Mustermensch,
sicher haben Sie aktuell viel Arbeit, darum möchte ich Sie nicht lange aufhalten. Nur kurz: Mit dem Schreiben vom TT.MM.JJJJ habe ich mich auf Ihre Stelle als XY beworben. Da ich bisher noch keine Rückmeldung erhalten habe, wollte ich nun gerne freundlich nachfragen, ob meine Unterlagen bei Ihnen eingetroffen und vollständig sind. Sollten Sie weitere Informationen von mir benötigen, reiche ich diese selbstverständlich gerne nach. Andernfalls wäre ich Ihnen sehr dankbar für einen Hinweis, wann ich mit einer inhaltlichen Antwort rechnen darf.
Vielen Dank im Voraus und mit freundlichen Grüßen,
Bewerber:in
Viele Personaler:innen sehen in einem solchen Nachfassen sogar ein positives Zeichen dafür, dass ein ernsthaftes Interesse an der Stelle besteht. Für das eigene Gefühl kann es auch hilfreich sein, eine Frist zu setzen und so die eigenen Grenzen festzulegen. Sollte auch dann noch keine Rückmeldung eingetroffen sein, dürfte es zielführender sein, sich nach anderen interessanten Stellen umzuschauen – und gegebenenfalls die Bewerbung offiziell zurückzuziehen, um klare Verhältnisse zu schaffen. Es gibt schließlich genügend Arbeitgeber, die rasch und unkompliziert in der Kommunikation sind.
Andersherum erleben es auch Unternehmen immer häufiger, dass Bewerbende plötzlich unerreichbar sind – und auch hier können die Gründe vielfältig sein. Die wahrscheinlichsten Ursachen für den Kontaktabbruch: Es hat sich inzwischen ein anderes bevorzugtes Jobangebot ergeben. Oder während des Vorstellungsgespräches hat sich gezeigt, dass der Arbeitgeber und/oder die offene Stelle doch nicht so gut zu den eigenen Vorstellungen passen, wie ursprünglich gedacht. Vielen fällt es in dieser Situation schwer, ehrlich zu sein und der HR-Abteilung auf direktem Weg mitzuteilen, nicht mehr für die vakante Position infrage zu kommen – da ist es vermeintlich bequemer, Mails unbeantwortet zu lassen und nicht mehr ans Telefon zu gehen. Fair ist das allerdings ebenfalls nicht, denn auch die Verantwortlichen in den Unternehmen brauchen Planungssicherheit, um sich gegebenenfalls nach Alternativen umsehen zu können. Wer einen Hang dazu hat, unbequeme Aufgaben in der Prioritätenliste nach hinten zu schieben und dann irgendwann ganz zu vernachlässigen, kann sich einen Reminder in den Terminkalender setzen: So geht nichts Unerledigtes verloren.
Unter dem Strich bleibt festzuhalten: Ghosting ist eine Unsitte, egal, von welcher Seite es ausgeht. Es ist eine Frage der Höflichkeit, abzusagen. Keine Gewissheit über das weitere Vorgehen zu haben, ist frustrierend und führt schlimmstenfalls zu Verunsicherungen bei den Bewerbenden, die sich negativ auf künftige Bewerbungsprozesse auswirken. Darüber hinaus kann ein unangekündigtes Abtauchen auch mit Nachteilen für die Zukunft verbunden sein. Immerhin sind Arbeitgeber in manchen Bereichen gut miteinander vernetzt und auch Arbeitsuchende tauschen sich häufig in Online-Foren über ihre Erfahrungen aus. Da ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass sich unkorrektes Verhalten herumspricht.
Und nicht zuletzt: Absagen mögen enttäuschend sein, aber sie ermöglichen auf beiden Seiten Lerneffekte und schaffen Verbindlichkeit. Ehrliche Kommunikation ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Karriere – auch dann, wenn es an diesem Punkt erst einmal nicht zu einer Zusammenarbeit kommt.