Einleitung

Die Osram GmbH entwickelt ein leistungsfähiges LED-Modul für einen asiatischen Automobilzulieferer. Ein internationales Projekt zwischen technischer Finesse und kulturellen Welten, an dem Brunel Spezialist Willi Schlesing als Technischer Leiter eines Forschungs- und Entwicklungsteams maßgeblich beteiligt ist. Die folgende Reportage gewährt einen Einblick in seinen Arbeitstag. 

Es ist 5:34 Uhr, als Willi Schlesing wie selbstverständlich aufwacht. Vor dem Einschlafen hatte er noch über eine verbesserte geometrische Lösung zur Kühlung des neuen LED-Moduls nachgedacht, nach siebenstündigem Schlaf hat er eine mögliche Antwort parat: „Solche nächtlichen Eingebungen habe ich öfter“, scherzt der 64-jährige Physikingenieur später, als er um 7:10 Uhr nach einem etwa 800 m langen Fußmarsch zwischen Wohnung und Arbeit das Drehkreuz zum Osram-Werksgelände in Herbrechtingen nahe Ulm passiert.

 

An seinem Schreibtisch im Großraumbüro der Entwicklung geht Schlesing als Erstes die neuen E-Mails aus Asien durch: „Aufgrund der Zeitverschiebung von acht Stunden haben die asiatischen Projektkollegen von Osram jetzt fast schon Feierabend“, erklärt er. „Da ist es wichtig, offene Anfragen zeitnah zu beantworten und schnell intern an die richtigen Stellen zu kommunizieren.“ Eine der E-Mails dreht sich erneut um eine Überarbeitung der LED-Kühlung, an deren Optimierung das Forschungsteam von Willi Schlesing nun schon seit mehreren Wochen tüftelt. Das standardisierte LED-Modul für den Automotive-Bereich soll die herkömmliche Halogenlampe von Osram ersetzen und hierbei eine möglichst einfache Austauschbarkeit mit handlichen Dimensionen verbinden, um auch künftig den Besuch in der Kfz-Werkstatt so kurz wie möglich zu gestalten und den Platzbedarf des Bauteils zu minimieren. Kunde ist ein asiatischer Scheinwerferproduzent, der wiederum einen Automobilhersteller als Endkunden des Projekts bedient: „Hinsichtlich Innovationsgrad und Technologie sind wir mit unserem hochintegrierten Modul weltweit ,State of the Art‘“, erklärt Schlesing, der aufgrund seiner vorherigen beruflichen Stationen über hilfreiche Erfahrungen in den Bereichen Halbleitertechnologie und Qualitätsmanagement verfügt. „Zu den großen Herausforderungen zählt es, eine hohe Lichtausbeute mit guter Thermik zu verbinden. Denn bei allen Einsatzfeldern von LED auf Schaltungsbasis entsteht Wärme, die dann auf engstem Raum effektiv abgeführt werden muss.“

Unterschiedliche Mentalitäten und Kulturen

Um das Thema weiter zu erörtern, steht für 8:30 Uhr eine Skype-Konferenz mit den asiatischen Osram-Kollegen an. Dabei geht es insbesondere um die zeitliche Abstimmung der in den kommenden Tagen anstehenden Testreihen hinsichtlich der Wärmeentwicklung der LED-Module. „Zu beachten ist dabei die unterschiedliche Mentalität und Arbeitskultur der Geschäftspartner aus Fernost“, berichtet Schlesing, der in seinem bisherigen Berufsleben als Freelancer und Angestellter bei Großkonzernen wie IBM oder DuPont bereits internationale Erfahrung gesammelt hat und im vergangenen Sommer auch selbst vor Ort in Asien war. „Ganz typisch ist zum Beispiel, dass im Kulturkreis des Kunden ein unrealisierbarer Kundenwunsch nicht einfach kategorisch abgelehnt werden kann, sondern dies mit einem Zugeständnis oder anderweitigem Entgegenkommen verknüpft werden muss. Da ist in vielen Fällen Fingerspitzengefühl gefragt.“ So kompensiert das Team dieses Mal eine zu eng gesetzte Frist durch eine vorgezogene Terminzusage an anderer Stelle – die Kollegen aus Fernost stimmen zu. In der Mittagspause in der firmeneigenen Kantine bespricht Willi Schlesing mit zwei Kollegen weitere Projektdetails wie etwa Möglichkeiten zur Verbesserung der LED-Widerstandsfähigkeit gegen Vibrationen. Direkt im Anschluss steht ab 13:30 Uhr ein Meeting mit seinem zwölfköpfigen Projektteam aus Elektronikern, Simulations- und Testing-Experten, Prozessingenieuren und Mechanikern an, um gemeinsam die Zuständigkeiten sowie den genauen Ablauf der aktuell geplanten Testreihen festzulegen und das erforderliche Equipment für die dazu notwendigen Versuchsstände zu besprechen. „Solche Termine führen wir mindestens dreimal pro Woche durch“, erklärt Schlesing, der als Schnittstelle zwischen dem Kunden und der technischen Umsetzung fungiert. „Auf diese Weise können wir schnell und gezielt Änderungswünsche realisieren. Je nach Aufgabenstellung überlegen wir gemeinsam, wie und mit welchen Kapazitäten wir eine Lösung erarbeiten.“

 

Um dem Kunden zu jeder Zeit den aktuellen Entwicklungsstand darstellen zu können, haben Schlesing und sein Team bereits in einer frühen Projektphase einen kundenspezifischen Musteraufbau des LED-Moduls erstellt. Anhand von fortlaufenden Tests und Simulationen im firmeneigenen Messlabor können damit die weiteren Prozessschritte festgelegt und Optimierungspotenziale identifiziert werden. Dieses Verfahren wird unterstützt durch die Software Minitab zur Umsetzung der statistischen Versuchsplanung (Design of Experiments). Aktuell liegt der Fokus auf einer verbesserten Anordnung der verschiedenen Bauteile auf der Platine, mit der dann sichergestellt werden soll, dass die maximal zulässige Temperatur auch bei verändertem Design der Leuchte an den Kontaktstellen der LEDs nicht überstiegen wird: „Um zu sehen, ob sich die von mir entwickelte Lösung umsetzen lässt, müssen wir jetzt mit einer neuen Testreihe und mit unterschiedlichen Musterständen überprüfen, ob sich die Anordnung der Bauteile auf der Platine wie angedacht modifizieren lässt“, erklärt Willi Schlesing.

Technik, Fristen und Budget im Blick

Es ist 15:25 Uhr: Zur Durchführung der notwendigen Tests hat Willi Schlesing das entsprechend angepasste Layout des LED-Moduls soeben in einer Zentralstelle von Osram angekündigt. Anschließend wird es durch einen Dienstleister mit den dazu erforderlichen, zuvor extern eingekauften Komponenten gefertigt: „Ist alles aufgebaut, können im nächsten Schritt die verschiedenen Tests ablaufen“, berichtet der Technische Leiter. „Im Anschluss werden die Testergebnisse durch unsere Experten ausgewertet, in einen Bericht gefasst und an den Kunden übermittelt. Stellen die Prüfingenieure dabei fest, dass eine Anforderung noch nicht erfüllt ist, erforschen wir gemeinsam Optionen zur Nachjustierung.“ Um die unterschiedlichen Schritte zu koordinieren und dabei neben dem Zeitrahmen auch das Budget einzuhalten, ist nicht nur eine enge Zusammenarbeit mit dem eigenen Team und den asiatischen Osram Kollegen erforderlich. Es bedarf auch eines wöchentlichen abteilungsübergreifenden Austausches mit den Bereichen Einkauf, Labor und Fertigung. Nur so ist es möglich, dass Komponenten von Zulieferern pünktlich eintreffen oder Testergebnisse rechtzeitig in Laboraufträge einfließen. „Der Abstimmungsbedarf ist hoch“, beschreibt Teamplayer Schlesing die kommunikativen Anforderungen des Projekts. „Das kommt mir aber sehr entgegen, denn ich arbeite gerne mit unterschiedlichen Charakteren zusammen.“ Besonders reizvoll sei der Dialog mit jungen Menschen, die gerade von der Uni kommen. „Richtig ins Team eingebunden, ist das ein Gewinn für alle; vor allem in einer so offenen Diskussionskultur wie hier bei Osram“, findet Willi Schlesing. Es ist 17:15 Uhr, er packt seine Tasche und bereitet sich langsam auf den Feierabend vor. Beim Verlassen des Firmengeländes blickt er optimistisch voraus: „Mit diesem Arbeitsklima werden wir unser LED-Modul zum geplanten Serieneinführungstermin auf den Markt bringen können.“ 

 

Text: Robert Uhde
Copyright Fotografie: GfG / Gruppe für Gestaltung


 

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